„Hallo! Wie heißt du?“ „Stell‘ dich bitte mal hier hin!“ „Guck‘ mal kritisch!“ Zeig mir deine beste Grimasse!“ Viel Zeit zum Überlegen hatten die Seniorinnen und Senioren des AWO-Wohnheims am Zwischenahner Meer, die sich zum Fotoshooting in der Einrichtung getraut hatten, nicht, als Fotograf Johannes Bichmann sie ablichtete und dazu Anweisungen gab. Die Gemeinde hat den 36-Jährigen engagiert, um im Zuge seines Fotoprojektes „Leuchten des Alters“, das er eigentlich in der Wandelhalle ausstellen wollte, in verschiedenen Seniorenheimen besonders schöne Porträtbilder von den Bewohnerinnen und Bewohnern zu machen.
Und die Aktion, die in vier Heimen stattfand, kam super an, wie beispielsweise Christin Golletz berichtet: „Johannes hat die Seniorinnen und Senioren direkt eingefangen und nicht wieder losgelassen“, so die AWO-Einrichtungsleiterin. „Das war absolut großartig. Ich hatte teilweise Tränen in den Augen, wie sie vor der Kamera aufgegangen sind. Die Seniorinnen und Senioren waren überrascht, was für tolle Bilder dabei herausgekommen sind.“
Auch die 88-jährige Sigrid Harms, die sich als erstes Modell vor die Kamera getraut hatte, zeigte sich nach dem ersten Fotoshooting ihres Lebens begeistert: „Das war ganz toll, so unbeschwert. Ich freue mich, dass man mal ein anderes Thema hat als Krankheit und Tod.“
2011 habe er in Ennepetal sein erstes Shooting in einem Seniorenheim gemacht, berichtet Johannes Bichmann. „Aus meinem Zivildienst kannte ich die Probleme in Altenheimen und ich wollte mit meiner Zeit etwas Vernünftiges anstellen“, erklärt der 36-Jährige, der aus Bochum stammt und mittlerweile in Bad Zwischenahn wohnt. Mit „Leuchten des Alters“ wolle er älteren Menschen mehr Sichtbarkeit in der Gesellschaft verschaffen und auf die Probleme in der Pflege hinweisen. Und: „Für mich ist das ein seelischer Ausgleich, um der Fotografie einen Sinn zu geben.“
Diesen habe er in seiner Zeit in Los Angeles (2010 sowie von 2012 bis 2014), wo er nach einem Praktikum und anschließender Arbeit als Fotograf für Fashion TV und Bigfoot Entertainment auf den Philippinen (2008-2010) als freiberuflicher Fotograf tätig war, nicht gefunden. Er sei zwar ein „Filmnerd“ und habe die Idee spannend gefunden, Schauspieler zu fotografieren. Zum einen sei der Erfolg aufgrund seiner zurückhaltenden Art in jungen Jahren aber ausgeblieben und zum anderen habe er mit der Oberflächlichkeit Hollywoods nichts anfangen können.
So zog es ihn 2014 zurück nach Deutschland, genauer gesagt nach Oldenburg. Dort bot ihm die NWZ-Medienagentur neben seiner freiberuflichen Tätigkeit einige Jahre ein neues Zuhause. Mittlerweile ist Johannes Bichmann auf Werbefotografie für mittelständische Unternehmen und auf die Fotografie im sozialen Bereich spezialisiert. Letzteres möchte er perspektivisch gerne zu seiner Hauptaufgabe machen.
„2011 habe ich in Köln für Fotostudios gearbeitet und von Babys bis Senioren alles fotografiert. Dabei habe ich gemerkt, dass ich offenbar die zwischenmenschliche Kompetenz habe, um viel aus den Leuten herauszuholen“, umschreibt der Fotograf seine Stärken. „Ich begegne den Menschen auf Augenhöhe und kann schnell die Seele aus den Leuten herauskitzeln.“
Wie gut ihm das gelingt, ist im kommenden Jahr im Rathaus zu bewundern: Vom 12. September bis zum 8. November ist dort eine Ausstellung mit den Porträtbildern der Bewohnerinnen und Bewohner der Zwischenahner Seniorenheime geplant.
Die Aktion im Video
Um die Aktion festzuhalten, hat die AWO Weser-Ems ein Video produziert. Dieses ist hier zu sehen.